12. März 2014

Arbeits­recht: Kündi­gung wegen Kirchen­aus­tritt

Aus Enttäu­schung über die zahl­rei­chen sexu­ellen Miss­brauchs­fälle in katho­li­schen Einrich­tungen trat ein Sonder­päd­agoge aus der Kirche aus und wurde von der Caritas gekün­digt, da ein schwerer Loya­li­täts­ver­stoß vorläge.

Gegen die Kündi­gung hat sich der Arbeit­nehmer gewandt und Kündi­gungs­schutz­klage erhoben. Das Bundes­ar­beits­ge­richt hat mit Urteil vom 25.04.2013, 2 AZR 579/12, über diese Klage entschieden.

Sach­ver­halt Der 1952 gebo­rene Arbeit­nehmer war seit 1992 bei der Caritas als Sozi­al­päd­agoge beschäf­tigt. Die beim Caritas ange­stellten Pädagogen und Sozi­al­päd­agogen sind ausnahmslos Mitglieder der christ­li­chen Kirchen. Der Arbeit­nehmer gehörte der katho­li­schen Kirche an. Seit September 2008 arbei­tete der Arbeit­nehmer in einem sozialen Zentrum, das Projekt der Erzie­hungs­hilfe war, in dem Kinder von der ersten Grund­schul­klasse bis zum zwölften Lebens­jahr nach­mit­tags betreut wurden. Die Kinder kamen aus sozial benach­tei­ligten Verhält­nissen und haben Schwie­rig­keiten mit der Sozia­li­sa­tion. Ihre Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit war ohne Bedeu­tung.

Das Angebot des Zentrums umfasste Mittag­essen, Haus­auf­ga­ben­be­treuung, Einzel­för­de­rung und soziale Schü­ler­grup­pen­ar­beit, die sich am indi­vi­du­ellen Bedarf der Kinder orien­tierte. Auch Frei­zeit­an­ge­bote wurden wahr­ge­nommen. Die Kinder sollten schu­lisch und in ihrem sozialen Verhalten geför­dert werden. Außerdem sollten ihre sprach­liche und moto­ri­sche Entwick­lung unter­stützt sowie Krea­ti­vität und Fantasie ausge­bildet werden. Das soziale Zentrum wies – abge­sehen vom Zeichen der Caritas – keine reli­giösen Symbole auf. Den Kindern wurden keine reli­giösen Inhalte vermit­telt. Der Arbeit­nehmer arbei­tete mit den Kindern, stand im Kontakt mit den Eltern, koope­rierte mit den Schulen und führte mit dem Jugendamt Hilfe­plan­ge­spräche durch.

Schließ­lich trat der Arbeit­nehmer aus der katho­li­schen Kirche aus. Er infor­mierte hier­über ein Vorstands­mit­glied des Trägers und nannte als Beweg­gründe für den Kirchen­aus­tritt die Miss­brauchs­fälle in katho­li­schen Einrich­tungen, die Vorgänge um die Pius­bru­der­schaft und die Karfrei­tags­lit­urgie, die in einer anti­ju­däi­schen Tradi­tion der Kirche stünden. Die Caritas kündigte daraufhin das Arbeits­ver­hältnis.

Urteil des Bundes­ar­beits­ge­richts Das Bundes­ar­beits­ge­richt hat entschieden, dass der Austritt eines Mitar­bei­ters einer von einem katho­li­schen Cari­tas­ver­band getra­genen Kinder­be­treu­ungs­stätte aus der katho­li­schen Kirche die Kündi­gung des Arbeits­ver­hält­nisses recht­fer­tigen kann. In der Urteils­be­grün­dung führt das Gericht aus, dass jede Reli­gi­ons­ge­sell­schaft ihre Ange­le­gen­heiten inner­halb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst ordnet und verwaltet. Dieses Recht käme neben den verfassten Kirchen auch den ihnen zuge­ord­neten kari­ta­tiven Einrich­tungen zu. Es ermög­licht ihnen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirch­li­chen Dienst auch im Rahmen privat­recht­lich begrün­deter Arbeits­ver­hält­nisse entspre­chend ihrem Selbst­ver­ständnis zu regeln. Nach der Grund­ord­nung des kirch­li­chen Dienstes im Rahmen kirch­li­cher Arbeits­ver­hält­nisse sei der Austritt aus der katho­li­schen Kirche ein schwer­wie­gender Loya­li­täts­ver­stoß, der eine Weiter­be­schäf­ti­gung des Mitar­bei­ters nicht zulassen würde.

Im Kündi­gungs­schutz­pro­zess haben die Arbeits­ge­richte zwischen den Grund­rechten der Arbeit­nehmer – etwa auf Glau­bens- und Gewis­sens­frei­heit – und dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Reli­gi­ons­ge­sell­schaft abzu­wägen. Nach den Ausfüh­rungen des Bundes­ar­beits­ge­richts hat der Arbeit­nehmer durch seinen Austritt gegen seine arbeits­ver­trag­li­chen Loya­li­täts­ob­lie­gen­heiten verstoßen. Aufgrund dessen sei es der Caritas nicht zumutbar gewesen, ihn als Sozi­al­päd­agogen weiter­zu­be­schäf­tigen.
Nach dem kirch­li­chen Selbst­ver­ständnis leis­tete der Arbeit­nehmer unmit­telbar „Dienst am Menschen“ und nahm damit am Sendungs­auf­trag der katho­li­schen Kirche teil. Ihm fehle infolge seines Kirchen­aus­tritts nach dem Glau­bens­ver­ständnis der Caritas die Eignung für eine Weiter­be­schäf­ti­gung im Rahmen der Dienst­ge­mein­schaft. Zwar habe auch die Glau­bens- und Gewis­sens­frei­heit des Arbeit­neh­mers ein hohes Gewicht. Sie musste aber hier hinter das Selbst­be­stim­mungs­recht der Caritas zurück­treten. Dieser könne im vorlie­genden Fall von den staat­li­chen Gerichten nicht gezwungen werden, im verkün­di­gungs­nahen Bereich einen Mitar­beiter weiter­zu­be­schäf­tigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den kirch­li­chen Loya­li­täts­an­for­de­rungen nicht gerecht geworden sei, sondern sich insge­samt von der katho­li­schen Glau­bens­ge­mein­schaft losge­sagt habe. Beschäf­ti­gungs­dauer und Lebens­alter des Arbeit­neh­mers fielen demge­gen­über im Ergebnis nicht ins Gewicht. Für Sozi­al­päd­agogen gäbe es zudem auch außer­halb der katho­li­schen Kirche und ihrer Einrich­tungen Beschäf­ti­gungs­mög­lich­keiten.

Fazit Zusam­men­fas­send ist fest­zu­stellen, dass für das Bundes­ar­beits­ge­richt entschei­dend war, dass der Arbeit­nehmer seine Tätig­keit unmit­telbar als „Dienst am Menschen“ erbracht hat. Das kirch­liche Arbeits­recht ist immer wieder Gegen­stand von Rechts­strei­tig­keiten, wurde jedoch zuletzt weiter gestärkt. Dies gilt auch unab­hängig von einer weiteren Entschei­dung des Bundes­ar­beits­ge­richts, dass Streiks in kirch­li­chen Betrieben unter stark einge­schränkten Bedin­gungen erlaubt sein können.